Aktuell wird aufgrund der steigenden Zahl von an SARS-CoV-19 erkrankten Personen in Österreich über die bereits beschlossene Schließung aller Kindergärten und Schulen diskutiert. Aus gesundheitspolitischer Sicht erscheint dies aufgrund der Belastung unseres Gesundheitssystems durch die hohen Patientenzahlen sinnvoll und nachvollziehbar. Nicht berücksichtigt wird jedoch das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen, das gemäß Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern höchste Priorität haben muss.
Das Schließen von Kindergärten und Schulen führt bei Kindern und Jugendlichen zu einer erhöhten Stresssituation, der Isolation in den eigenen vier Wänden und einer ungenügenden Kompensation ihrer Ausbildung durch Selbststudium und Distance-Learning. Bei weiteren Schließungen ist die Vermittlung der im Lehrplan verankerten Inhalte an junge Menschen unter 14 Jahren nicht ausreichend gewährleistet. Unter Berücksichtigung der bisherigen Auswertungen der positiv Getesteten seitens des Bundesministeriums geht hervor, dass die Gruppe der unter 10-Jährigen lediglich 1-2 % der Corona-Positiven ausmacht. Daher stellt sich die Frage, warum gerade dieser Gruppe der letzte Anker genommen wird, da praktisch alle Freizeitangebote und somit die für Kinder und Jugendlichen besonders wichtigen sozialen Kontakte dem “Lockdown light” zum Opfer gefallen sind.
Darüber hinaus führt die Schließung von Kindergärten und Schulen zu einer prekären Situation für Erziehungsberechtigte. Die Erfahrungen aus dem Lockdown im Frühling 2020 zeigen, dass Homeschooling, Betreuungspflichten und Homeoffice nicht unter einen Hut zu bringen sind. Gerade sozioökonomisch benachteiligte Kinder und Jugendliche wären von neuerlichen Schulschließungen überproportional betroffen. Bildungseinrichtungen sind außerdem Teil des Alarmsystems für Gewalt in der Familie, das in Zeiten des psychischen Drucks auf Eltern besonders wichtig ist. Schulschließungen mögen eine kurzfristige Dämpfung der Infektionszahlen bewirken, die langfristigen Folgen sind aber viel gravierender. Nicht ohne Grund ist das Jugendwort des Jahres 2020 “Lost” (zu Deutsch: verloren). Ein Wort, das eine ganze Generation junger Menschen beschreibt, die ganz klar die VerliererInnen der Krise sind.
Alle Eltern, für die Betreuungspflichten an erster Stelle stehen, fehlen als Arbeitskräfte in der Wirtschaft. Diese starke Belastung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen ist in Zeiten der globalen Wirtschaftskrise in die Entscheidung über die Schließung der Schulen und Kindergärten mit einzubeziehen.
Der Steirische Landesjugendbeirat spricht sich nach abwägen der Auswirkungen auf unsere Gesellschaft gegen die unverhältnismäßige Schließung von Kindergärten und Schulen aus. Wir fordern die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf, diesen Schritt nur als “allerletztes Mittel” in Betracht zu ziehen.
Diese Stellungnahme wurde vom Vorstand des Steirischen Landesjugendbeirats am 15. November 2020 beschlossen.